Auch wenn sich ein Mörder noch so gewitzt anstellt, kann ein unglücklicher Zufall dafür sorgen, dass er auf der Liste der Verdächtigen landet.
Wenig später steht der Kripomann vor seiner Tür, bittet um Einlass und ein Gespräch.
Es beginnt ein Zweikampf, in dem es um Vertuschung, Ablenkung, geschickte Tarnung und bald auch um emotionale Strategien geht, hat doch der Kripomann im Zuge der Befragungen eine biografische Schwachstelle gezeigt.
Hier hakt der Müllmann, ein arbeitsloser Sammler der Dinge, ein.
So mancher Zweifel des Kripomannes kann zerstreut werden, doch als ein dritter Spieler eingreift, verstrickt sich der Täter immer tiefer in Widersprüche.

Zitat:
Wie weich der Baumtod ringsumher. Weich wie Eiderdaunen von einem Taubenflügel.
Vielleicht fliegt ihre Seele davon wie ein Blatt, gepflückt vom Wind. Ich werde sie fangen und zu meinen Beutestücken stecken. Der Rest aus Kohlenstoff kommt in den Plastiksack.


REZENSION IN GEGENWARTSLITERATUR 2372

Müllmänner

Die wirklich guten Krimis sind literarisch gesehen einfach Romane und umgekehrt werden gute Romane offensichtlich aus Markt-Gründen oft als Krimis ausgegeben.
Ein Krimi-Hybrid der aufregenden Art ist Andreas Renoldners Roman „Müllmänner“. Durch den erzähltechnisch fein austarierten Trick, ein kaputtes Ich immer nur so viel Logisches erzählen zu lassen, wie es dem Leser auch logisch vorkommt, wird bewirkt, dass der Leser sich immer dichter an die Psyche des Helden herantastet und schließlich mit ihm einem „verbrecherisch guten Ende“ entgegen zittert.
Der Ich-Erzähler ist aus der Gesellschaft ausgetreten worden, als er offensichtlich in einem Anfall von Unordnung die Ordnung an seinem Arbeitsplatz im Lagerhaus zerstört hat. (An dieser Stelle sticht es allen Bibliothekaren im Herzen!) Jetzt lebt er quasi mitten im Untergrund der Gesellschaft, indem er deren Rand als Müllmann abgrast.
Nach einer Wochenendbegegnung mit einer Isabell oder Annabell, die nach einer ausgestorbenen Automarke benannt ist, kehrt diese nicht mehr an den Arbeitsplatz im Begräbnisinstitut zurück, andererseits wird eine gut geschredderte Leiche in der Müllanlage gefunden. Ein Kripo-Beamter schleicht sich nun an den Erzähler heran und es beginnt das Abenteuer einer gnadenlosen Ausspähung. Der Kripo-Mann kann immer einen Schritt forensisch vorausdenken und kürzt dadurch den Weg zum potentiellen Täter ab. Der Ich-Erzähler als Fachmann für Müll und Entropie weiß um die Gedankenwege der Gesellschaft und kürzt seinerseits die Wege ab. Selbst als sich die beiden beinahe in einer Partnerschaft wiederfinden, ist das Rest-Lauern nicht aus ihren Augenwinkeln zu bringen. Jemand wird einen Fehler machen, das ist klar, aber wie wird dieser forensisch-finale Zug aussehen?
Trotz aller Logik und Logistik geht es letztlich um das Gefühl. Deshalb ist der Roman auch in tägliche Gefühle vom Samstagsgefühl bis zum Freitaggefühl aufgespalten, ehe der Kehraus alles auf eine Schaufel bringt.
Andreas Renoldner erzählt in dieser kriminalistischen Versuchsanordnung alles über den Zustand der Gesellschaft, ihren Umgang mit Ressourcen, die Psyche der Konsumtrottel, die Entropie als Endzustand aller gesellschaftlichen Unternehmungen. Dabei ist viel Platz für psychoanalytischen Schnickschnack, eine Taube mit zerbrochenen Flügeln tritt immer wieder als Botschafterin und Verräterin schlimmer Gedanken auf. Die Unmöglichkeit, Partnerschaften über das Wochenend-Geturtel hinauszubringen, ist genauso ein Stichwort für den Zustand der Gesellschaft, wie der Held als Aussteiger aus Handy- und sozialen Netzen letztlich als Einziger etwas von der Gesellschaft in Erfahrung bringen wird.
Wenn nur alle gelobten Krimis so intelligent wären wie die Müllmänner! Wenn nur alle intelligenten Romane so spannend wären! Andreas Renoldner setzt mit seinem Kriminal-Hybrid jedenfalls Maßstäbe.

Andreas Renoldner: Müllmänner. Kriminalroman.
Wien, Graz: Styria 2015. ( = styria krimi). 204 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-3-222-13497-5.
Helmuth Schönauer 24/05/15