"Philosphieren heißt sterben lernen" (Montaigne) - ein passender Untertitel zu Renoldners "Roman". (DR)
Ein Mann begibt sich ans Wasser und plant in aller Ruhe, seinem Leben ein Ende zu setzen. Kein Drama scheint der Auslöser dieses Entschlusses gewesen zu sein. Vielleicht eine Midlife-Crisis? Darauf deutet folgender Absatz hin:
"Die große Liebe: Vorbei. Die kleinen Ziele: Erreicht. Die großen Ziele: Unerreichbar. Stehst du an einem Punkt, den du als Scheitelpunkt erlebst. Du hast keinen Gipfel erreicht, weil mit dem Erreichen kein Sieg und keine Freude verbunden sind."
In einer regnerischen Nacht begegnen wir dem Mann wieder - träumend, gestorben? Begleitet von einer Schnecke, die er auf der Schulter trägt, wandert er über Land, nach Osten.
Auf ihrer Wanderung werden die beiden Zeugen eines Autounfalls. Die tote junge Frau begleitet sie von nun an auf ihrer Reise.
Die Menschen und Szenen, die ihnen begegnen, werden zum Gegenstand weltanschaulicher Gespräche. Es handelt sich jedoch nicht um gelehrte Elaborate sondern um Reflexionen von Menschen unterschiedlicher Lebensauffassung.
Der Mann vertritt den Standpunkt des aufgeklärten Skeptikers. Die Frau, in ihrem vergangenen Leben eine katholische Jungscharführerin (!) steht für Glauben und Idealismus.
Die Schnecke beteiligt sich kaum an den Gesprächen und doch ist sie das Wesen, das den Weg weist
(schon Seneca riet seinen Mitmenschen auf der Reise "nicht ohne Kundigen zu entscheiden, wohin man wolle und auf welchem Weg"). Obwohl kein einziger Philosoph erwähnt wird und der Text auch alles andere als "kopflastig"" daherkommt, begegnet der entzückte Philo-Freak doch auf Schritt und Tritt seinen Freunden.
Schon bei der Benennung der Kapitel, z.B.: "Über die Beständigkeit", "Über das Schöne", "Über die Hoffnung" usw. vermutet man gewiss nicht ganz grundlos, dass Platon hier Pate gestanden hat. Und in der toten jungen Frau darf man wohl eine Verwandte von Dantes Beatrice erkennen.
Man würde aber dem Buch nicht gerecht, es als bloßes philosophisches Vexierspiel zu betrachten. Renoldner hat einen faszinierenden Diskurs über die Fragen geschrieben, die jedes kritische Denken stellt:
nach dem Sinn des Lebens, der Existenz Gottes, über das Leben nach dem Tod.
Ein außergewöhnliches Buch ...

Ingrid Kainzner für bibliothekswerk

Als ich von der Hetzau in die Schindlau ging.

Edition Atelier, Wien

298 Seiten, geb. mit Schutzumschlag, ISBN 3-853080-56-1

20,50 Euro
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