Später wirst du über den Augenblick nachdenken können.
Später wirst du dich fragen, warum das Ereignis in dir so ein Bild hat entstehen lassen.
Ein Blick kann nicht ins Herz treffen, weil das Herz im Brustkorb sitzt, unter Haut und Knochen verborgen. Nur ein Röntgengerät kann ein Bild des Herzens erzeugen, oder ein Kernspintomograph.
Trotzdem stimmt der Satz für dich. Eine Erschütterung hat stattgefunden.
Hast du nie daran geglaubt, dass eine Begegnung so wirksam sein kann. Obwohl nichts geschehen ist als ein Blick.

Du siehst ihre Hand mit der Farbe von Haut. Die Haut über dem Brustbein ist ein wenig heller und glatter als die Haut des Handrückens. Die blassrosa Oberfläche aus abgestorbenen Zellteilen. Zellwände sind doppelte, mit den gleichpolaren Enden der Moleküle aneinandergeheftete Seifen.
Dahinter eine Flüssigkeit, in der Organellen treiben. Gesprengte Kerne mit der aufgedrehten Doppelhelix.
Unter der Haut finden sich Fettzellen, wie bleiche Datteln zu kleinen Rispen gesammelt. Die silbrig glänzende Oberfläche von sehniger Haut. Die rötlich marmorierte Muskelfaser, gefüllt mit beweglichen Molekülen und Stärkekörnern. Später Knochen.
Später zwei Lagen aus seidiger Haut, die Fell genannt wird. Der winzige Spalt ist mit Gleitflüssigkeit gefüllt.
In einem Sack schlägt das Herz.
Das Herz ist dein Herz.
Im Herzen sitzt die Liebe.


Unter die Haut.

Verlag Kitab, Klagenfurt.

ISBN SBN 978-3-902585-02-8

Euro 15,-
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Unter die Haut ist ein märchenhaft realistischer Roman über die Liebe im Alltag, über jene fernen Träume, die aus entlegenen Sendern nachts an unser Ohr dringen, und über die Unmöglichkeit, aus der eigenen Haut zu schlüpfen und bei jemand anderem unterzukriechen. Gefühle können zwar unter die Haut gehen, aber wir können als Ganzes unter keiner Haut Unterschlupf finden. – Ein merkwürdig naher Steppen-Roman!

Helmuth Schönauer